Woher nehme ich die Idee, dass ich als IKT Stratege dazu berufen bin, ein Buch über Politik zu schreiben? Sind nicht schon genug Juristen und Ökonomen, Bürokraten und Alternative damit beschäftigt, sich als Politiker zu beweisen? Sind nicht schon genug Journalisten und andere Besserwisser unterwegs, um Politiker zu kritisieren? Kann ich als IKT Stratege wichtige Gedanken entwickeln, die Juristen und Ökonomen noch nicht gedacht haben? Weiß ich mehr über die zukünftige Entwicklung unserer Gesellschaft, unserer Wirtschaft, unsere Politik?
Meine Antwort lautet: Ja!
Die blutrünstige amerikanische Kriegskunst ist ein großer Vorreiter für IKT. Unser Casino-Kapitalismus kann nur mit IKT Unterstützung funktionieren. Unsere Realwirtschaft fokussiert immer mehr auf die Unterstützung von IKT. Unsere Gesellschaft beschäftigt sich immer mehr mit Werkzeugen, oder auch Spielzeugen, die durch IKT funktionieren. Viele Medien publizieren im Internet, viel Wissen ist bereits im Internet gespeichert, auch Unterhaltung ist im Internet gespeichert. Unsere Spitäler sind mit elektronischen Geräten vollgestopft. Viele Transportmittel sind heute schon stark durch IKT unterstützt, und bald wird unser privates Kfz nur mehr mit IKT Unterstützung funktionieren. Unsere Wissenschaften bedienen sich tagtäglich neuer Werkzeuge, die nur durch IKT möglich geworden sind. Schön langsam wird es auch unseren Politikern klar, dass sie sich in Zukunft sehr stark mit den Einflüssen von IKT beschäftigen müssen. Leider viel zu spät!
Worin aber liegt mein persönlicher Zusatznutzen? Wieso glaube ich, meine Stimme erheben zu müssen, ein Buch über Politik zu schreiben?
Ich bin ein alter IKT Profi, und beschäftige mich seit über 40 Jahren mit IKT, mit Strategie, mit Zukunftsplanung, und dem vernünftigen Einsatz von IKT. Ich war fast 30 Jahre lang in dem weltweit agierenden IKT Konzern IBM beschäftigt. Ich habe Kenntnis von Computerhardware und Software, habe Programme geschrieben, habe Fehler in Betriebssystem-Software repariert, habe IKT Strategien entwickelt, habe Tausende von Vorträgen gehalten, war als Mister E-Business bekannt, war in 34 Ländern dieser Erde beruflich unterwegs. Heute bin ich selbstständiger Unternehmensberater, besonders für die Implikationen die durch IKT entstehen. Heute habe ich das Glück, ein bedingungsloses Grundeinkommen zu beziehen, dass man normalerweise als „Pension“ bezeichnet. Ich habe also Zeit, Kenntnisse, und auch eine kleine rhetorische Begabung, die ich punktuell durch gezielten Sarkasmus erweitere.
Ich habe mit Amerikanern zusammengearbeitet, mit Engländern und Franzosen, mit Italienern und Deutschen, mit Skandinaviern und Arabern, mit Russen und Polen, mit Schweizern und Belgiern. Ich habe im Silicon Valley gearbeitet, an der Cote d’Azur, in zehn oder 15 verschiedenen Städten Deutschlands, in London und Brüssel, in Manhattan und Washington. Ich habe in Entwicklungslabors gearbeitet, als Techniker, als Verkäufer, als Planer, als Instruktor, als Manager. Ich war sehr erfolgreich in dem einen Job, und weniger erfolgreich in anderen Jobs. Ich habe in einem großen amerikanischen Konzern gearbeitet, in einem staatsnahen deutschen Konzern gearbeitet, in einem Familienbetrieb, in einem Start-Up, und seit vielen Jahren habe ich nun mein eigenes, winziges Unternehmen. Man könnte sagen: ich bin ein wenig herumgekommen.
Aber die eigentliche Begabung, die mich nahezu zwingt dieses Buch zu schreiben, ist meine Besserwisserei! Ich weiß immer alles besser, und früher als alle anderen. Ja gut, ich nehme wieder einiges zurück: ich irre mich auch oft. Aber ohne Risiko gibt es keinen Erfolg. Ich bin oftmals erstaunt über die Borniertheit, gerade von Juristen und Ökonomen, wie sie neue Technologien als unnötigen Firlefanz betrachten wollen. Ich gebe zu, dass ich bisher schon manchmal unfreundlich werden konnte, in einem Zwiegespräch mit einem Technik-Ignoranten. Heute, fast 70 Jahre alt, übermannt mich eine, bisher unbekannte Geduld, im Gespräch mit Andersdenkenden.
Hoffentlich hält diese Geduld bis zum Ende dieses Buches an.
Geduld ist der Abstand zwischen Vision und Vernunft.
Michael Voll